Maschinen, die Maschinen optimieren

Der Informatiker Frank Hutter untersucht, wie maschinelles Lernen einfacher anwendbar gemacht werden kann

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Künstliche Intelligenz hat schon lange einen festen Platz in Spekulationen des Menschen über die Zukunft. Foto: peshkov/Can Stock Photo

Wettervorhersage, Gesichtserkennung oder Interpretation von Gehirndaten: In vielen Arbeitsbereichen ist der Mensch fast vollständig auf die Unterstützung von Maschinen angewiesen. Verfahren des automatisierten maschinellen Lernens beschleunigen gesellschaftliche Entwicklungen rasant. Der Freiburger Informatiker Prof. Dr. Frank Hutter untersucht, wie solche Verfahren funktionieren – und wie nicht nur große Unternehmen von ihnen profitieren können.

Ob in Kinofilmen wie „2001: A Space Odyssey“ und „Matrix“ oder bei wissenschaftlichen Kongressen: Künstliche Intelligenz (KI) hat schon lange einen festen Platz in Spekulationen des Menschen über die Zukunft, denn sie umfasst Bereiche wie Robotik, Computer Vision und Sprachverstehen. „Dabei führen Maschinen komplexe Aufgaben aus. Erfahrungen helfen der Maschine dabei, über die Zeit besser zu werden“, erklärt Frank Hutter, Professor für Maschinelles Lernen an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg. Beim maschinellen Lernen (ML), einer Form der KI, findet ein Programm eigenständig Zusammenhänge in Daten, die ihm zugeführt werden. Mit finanzieller Unterstützung des Technologieunternehmens Bosch leitet Hutter das Projekt „Automatisiertes Maschinelles Lernen (AutoML)“. Diesen Forschungszweig hat er vor einigen Jahren selbst mitbegründet.

Manuell versus automatisch

Eine Maschine kann anhand von Daten Vorhersagen treffen. Beim traditionellen maschinellen Lernen müssen Expertinnen und Experten manuell so genannte Features definieren, also Eigenschaften der Daten, die für eine Vorhersage wichtig sind: In der Bilderkennung sind das zum Beispiel Farben, Formen, Konturen. Mithilfe solcher Features kann die Maschine eine Funktion definieren, mit der Schlussfolgerungen über eine Zielvariable möglich werden. Anhand von Daten zum Luftdruck, der Temperatur und dem Niederschlag stellt die Maschine etwa eine Funktion auf, die sie für eine Vorhersage des Wetters verwendet.

Je mehr Daten vorliegen, desto leichter kann eine Maschine Funktionen erlernen. Und je präziser Features aufgestellt sind, desto zuverlässiger wird eine Vorhersage. Anhand der Daten müssen Experten entscheiden, welches ML-Modell sie anwenden. Im Projekt „AutoML“ arbeitet Hutter daran, maschinelles Lernen zu automatisieren. Er entwickelt Maschinen, die automatisch herausfinden, welches ML-Modell mit welchen Features gut funktioniert. Eines dieser automatisierten Verfahren ist Deep Learning, welches auf künstlichen neuronalen Netzen basiert. Dabei lernt eine Maschine automatisch aus Rohdaten und stellt Vorhersagen auf: Sie erhält beispielsweise nur Bilder ohne Features.

Eine Voraussetzung für die korrekte Anwendung von Deep Learning ist allerdings, dass ein Experte zuerst eine Netzwerkarchitektur, also den Aufbau und die Struktur eines neuronalen Netzes, erstellt und Eigenschaften festgelegt, um den Algorithmus zu steuern. „Ein Experte muss sich allerdings mindestens einige Monate mit Deep Learning beschäftigt haben, um es richtig anwenden zu können“, betont Hutter. „Das möchten wir durch AutoML vereinfachen, damit Deep Learning auch für Nichtexperten anwendbar wird.“

Bei der Elektroenzephalografie (EEG), einer Methode zur Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns, sollen Maschinen anhand von Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche herausfinden, ob und wann mit einem epileptischen Anfall zu rechnen ist. Traditionell würde ein Experte dafür Features aufstellen, womit die Maschine einfache Funktionen findet, welche die Zielvariable – ob und wann ein epileptischer Anfall erfolgt – erklären. Deep Learning umgeht den Aufwand, die Features manuell zu bestimmen, und lernt direkt aus den Rohdaten, also dem EEG-Signal. Es wird ins System eingespeist, welches mehrere Schichten an Repräsentationen erstellt und schließlich eine Zielfunktion baut.

Schlüsseltechnologie für die Allgemeinheit

Der Einsatz neuer Technologien birgt Risiken für das allgemeine Wohl der Gesellschaft: Mit einer voranschreitenden Automatisierung verbinden Kritikerinnen und Kritiker den Verlust von Arbeitsplätzen. „Natürlich werden klassische Berufe wie in der Automobilproduktion weniger. Allerdings schafft jede neue Technologie auch neue Berufsbilder und ganze Wirtschaftszweige“, erklärt Hutter. Täglich entstehen Branchen und Produkte, die vorher nicht denkbar waren.

Automatisierte Methoden spielen eine wichtige Rolle für mittelständische Unternehmen und gemeinnützige Organisationen, die geringe finanzielle Mittel für die Auswertung von Daten haben. Wenn sich nur große Unternehmen fachkundiges Personal zur Anwendung von maschinellem Lernen leisten könnten, würden sich Ungleichheiten noch vergrößern, führt Hutter aus. Er stellt sämtliche Maschinen, die er in seinem Forschungsprojekt entwickelt, als „Open Source“-Werkzeuge frei und kostenlos zur Verfügung. Mit seiner Forschung verfolgt er ein großes Ziel: „Ich möchte das automatische maschinelle Lernen als Schlüsseltechnologie der Allgemeinheit bereitstellen und damit dazu beitragen, wachsende gesellschaftliche Ungleichheiten zu reduzieren.“

Patrick Siegert

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