Lars Pastewka erhält Auszeichnung "John von Neumann Exzellenzprojekt 2019"

Reibung und Verschleiß verstehen: Molekulardynamiksimulationen von mechanischen Dissipations- und Strukturbildungsprozessen

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Foto: Klaus Polkowski, Uni Freiburg

Die Auszeichnung "John von Neumann Exzellenzprojekt 2019" wurde dem Forschungsvorhaben "Friction of (hydro-)carbons at surfaces: Adsorbed surfactant layers and amorphous carbon” und “Micromechanics of metals: non-affine deformations and phonons” von Prof. Lars Pastewka (Professur für Simulation, Institut für Mikrosystemtechnik der Technischen Fakultät der Universität Freiburg) verliehen.

Die NIC-Rechenzeitkommission zeichnet jedes Jahr ein oder zwei Projekte als Exzellenzprojekte aus. Diese Projekte erhalten zusätzliche Rechenzeit. Weitere Informationen finden Sie hier.

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Kontaktierende Oberflächen finden sich in nahezu jedem technischen und biologischen System. Oberflächenkräfte, wie Reibung oder Adhäsion, sind maßgeblich für deren Funktion verantwortlich. Reibung und Adhäsion werden nicht nur durch die reine Oberflächenchemie, sondern auch durch Rauheit und das unter der Oberfläche liegenden Materialgefüge bestimmt. Rauheit limitiert die reale Fläche, welche wirklich in intimen atomaren Kontakt kommen kann, und das Materialgefüge bestimmt maßgeblich den Widerstand gegen Verformung. Oberflächenchemie, Rauheit und Gefüge entwickeln sich dynamisch während des Reibprozesses. Da ein Reibkontakt für die meisten Materialien nicht in-situ vermessen werden kann, haben sich Computersimulationen in den letzten 20 Jahren zu einem wichtigen direkten Zugang zu dynamischen Prozessen im Reibkontakt entwickelt.

Ein Beispiel hierfür ist das Verhalten einfacher tetrahedraler Festkörper wie Diamant und Silizium. Mit Hilfe von Molekulardynamiksimulation auf dem Großrechner JURECA konnten wir zeigen, dass beide Materialien unter tribologischer Last in eine ungeordnete, amorphe Phase übergehen. Diese amorphe Phase ist weicher als der Kristall und kann damit einfacher abgetragen werden. Ein entscheidender Unterschied zwischen Diamant und Silizium ist, wie sich diese Umwandlungsrate und damit der Verschleiß mit dem Druck verändert: Erhöht man den Druck auf Diamant, dann reduziert sich die Geschwindigkeit mit der sich die ungeordnete Phase bildet, wohingegen sich die Bildungsgeschwindigkeit bei Silizium erhöht. Dies erklärt warum Diamantschichten für exzellente Verschleißschutzeigenschaften bekannt sind. Interessanterweise verhält sich gefrorenes Wasser sehr ähnlich zu Silizium. Dies könnte ein Grund sein, warum wir bei sehr niedrigen Temperaturen immer noch Eislaufen können. Der durch die Kufe aufgebaute Druck hilft hier eine amorphe, der Flüssigkeit sehr ähnliche Phase aufzubauen deren Verformung nur geringe Kräfte benötigt.

Andersgeartete Strukturbildungsmechanismen findet man in metallischen Materialien. Interessante Materialsysteme sind metallische Nanolaminate, dünne Schichten, welche selbst Schichtlaminate aus unterschiedlichen metallischen Komponenten sind. Experimente haben hier gezeigt, dass nach Reibbelastung die einzelnen Schichten verformen und Wirbel bilden, die in ihrer Struktur denen ähneln, die wir aus strömungsmechanischen Instabilitäten, wie z.B. bei Wolkenbildung oder wenn wir Milch in unseren Kaffee gießen, kennen. Auch hier konnten wir mit Hilfe von Molekulardynamiksimulationen die zu Grunde liegenden Mechanismen für Laminate aus alternierenden Kupfer- und Goldschichten aufklären. Durch die im Reibprozess eingebrachte mechanische Belastung werden die Laminate plastisch verformt. Die Träger dieser plastischen Verformung sind Kristalldefekte, sogenannte Versetzungen, welche an den Grenzflächen zwischen den metallischen Komponenten aufgehalten werden. Das Materialsystem reagiert zunächst mit der Ausbildung rauer Grenzfächen (Abb. 1a) und dann mit einer lokalen Rotation welche sich in der Bildung von Wirbelstrukturen niederschlägt (Abb. 1b).

Neben diesen beiden Beispielen für eine Gefügeentwicklung haben wir den Großrechner JUQUEEN bemüht, um erste Ergebnisse zur Entwicklung von Oberflächenrauigkeit unter mechanischer Belastung zu erhalten. Diese Molekulardynamiksimulationen, welche wir auf JUWELS fortsetzen werden, benötigen extrem große Simulationsvolumina von um die 100 Millionen Atome. Aus Experimenten ist bekannt, dass die Topographie vieler rauer Oberflächen als statistisch selbstaffines Fraktal beschrieben werden kann. Selbstaffine Objekte haben identische geometrische Struktur unabhängig auf welcher Skala sie beobachtet werden: Die Topographie einer Oberfläche in unserem virtuellen Mikroskop auf Nanometern ist nicht von der Struktur von Berglandschaften auf der Skala von Kilometern zu unterscheiden. Wir erzeugen diese rauen Oberflächen durch Verformung homogener Kristalle und Gläser (Abb. 1c). Die selbstaffine Struktur ist ein emergentes Phänomen des Deformationsprozesses. Dies ist eine Erklärung dafür, warum in Experimenten eine nahezu universelle Struktur von Oberflächenrauheit beobachtet wird.

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Abb. 1: Molekulardynamiksimulationen von Strukturbildung in Verformungsprozessen (a) zeigt ein Nanolaminat aus Kupfer- und Goldlagen nach Kompression in Richtung der Grenzflächennormale. Die Grenzflächen zwischen den metallischen Lagen rauen durch den Verformungsprozess auf. (b) zeigt das gleiche Nanolaminat nach Scherbelastung wie sie im Reibkontakt vorkommt. Die Struktur der Grenzflächen zwischen Kupfer und Gold bildet Wirbel aus. (c) Oberfläche eines Gold-Einkristalls nach biaxialer Kompression entlang der Pfeile. Gezeigt ist die Rekonstruktion einer anfänglich perfekt glatten Oberfläche bei unterschiedlichen Verformungszuständen. Von unten nach oben nimmt die Verformung zu. ((a) und (b), A. Gola, L. Pastewka, (c) W. Nöhring, A.R. Hinkle, L. Pastewka)

Letzte Änderung: 14.5.2019

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