Gehirnphantom für Epilepsiebehandlung

07.12.2022. Förderzusage des Invest BW Programms für miniaturisiertes intelligentes Neurostimulationssystem

Das Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) und Precisis erhalten eine Förderzusage des Invest BW Programms für die Entwicklung eines miniaturisierten intelligenten Neurostimulationssystems. Die Förderung unterstreicht die Innovationskraft des geplanten Projektes, das in der Folge die Lebensqualität von vielen Patient*innen mit Epilepsie erhöhen kann.

Das Brain-MEP Projekt wurde von Invest BW als besonders innovativ ausgezeichnet. Brain-MEP steht für „Miniaturisierter Elektrischer Pulsgeber fürs Gehirn“ und beabsichtigt die Entwicklung von Prototypen für ein miniaturisiertes intelligentes System, als Teil eines Implantates zur Therapie von Epilepsie. In der Praxis können solche Systeme genutzt werden, um eigenständig aufkommende epileptische Anfälle zu erkennen und mit einer entgegenwirkenden Stimulation zu therapieren. Die Stimulation verläuft automatisch an das individuelle Anfallsgeschehen angepasst, ohne dass die Patient*innen davon etwas merken.

„Im laufenden Projekt entwickeln wir die bisherigen Algorithmen zur Anfallserkennung aus Neurosignalen weiter und bauen zusätzlich ein „Gehirnphantom“, d.h. eine für die Anwendung möglichst realistische Nachbildung des Gehirns. Wir wollen damit bestimmen, wie sich elektrische Felder im Inneren des Gehirns entwickeln, wenn wir „von außen“, d.h. durch die Schädeldecke hindurch, gezielt stimulieren“, so Prof. Woias, Inhaber der Professur für die Konstruktion von Mikrosystemen am IMTEK.

„Das im Projekt zu entwickelnde Produkt stellt gegenüber dem bisherigen Stand-der-Technik einen enormen Innovationssprung dar. Intelligente patientenindividuelle Algorithmen, welche für Niedrigenergieversorgung optimiert sind, bieten ein enormes Potenzial für Neuroimplantate. In diesem Projekt wollen wir sie zur Marktreife bringen" sagt Dr. Ing. Laura Maria Comella, Gruppenleiterin am Lehrstuhl für die Konstruktion von Mikrosystemen am IMTEK und Projektleiterin für das Projekt BrainMEP und zuvor für das Projekt PIMIDES.

Erste Arbeiten an Algorithmen zur Anfallserkennung erfolgten an der Professur für die Konstruktion von Mikrosystemen im Exzellenzcluster „BrainLinks-BrainTools“, in Kooperation mit dem Epilepsiezentrum der Uniklinik Freiburg. Darauf aufbauend ergab sich für beide Forschungspartner sehr bald eine erfolgreiche, bis heute andauernde Zusammenarbeit mit der Firma Precisis. Im Rahmen des BMBF-geförderten Forschungsprojektes PIMIDES wurden die Aktivitäten in Richtung einer Implantatentwicklung ausgebaut, zusammen mit einer Weiterentwicklung des EASEE®-Stimulations-Systems von Precisis, das im Projekt erfolgreich in klinischen Studien eingesetzt wurde. In diesen Studien zeigte sich eine sehr gute Wirksamkeit der Therapie: 53% der Studienteilnehmer konnten ihre Anfallshäufigkeit mehr als halbieren. Aufgrund dieser Daten erhielt das EASEE®-System im September 2022 das CE-Zeichen zur Behandlung fokaler Epilepsie im Erwachsenenalter.

Über IMTEK:
Das Institut für Mikrosystemtechnik an der Technischen Fakultät der Universität Freiburg ist eine renommierte Forschungsstätte auf dem Gebiet der Mikro- und Nanotechnik. Mit 24 Professuren und über 370 wissenschaftlichen und technischen Mitarbeitern deckt es Fachgebiete von der Mikroelektronik über die Mikrosystemtechnik und Nanotechnik bis hin zur Mikromedizin ab.

Über Precisis:
Precisis ist ein Medizintechnikunternehmen, das minimal-invasive Methoden zur Gehirnstimulation entwickelt, um Epilepsiepatient*innen von ihren Symptomen zu befreien. Seit 2015 fokussiert sich die Firma komplett auf die Entwicklung des minimal-invasiven Gehirnschrittmachers – EASEE®. Die Elektroden geben gezielt und individuell angepasst einen beruhigenden Impuls an das erkrankte Hirnareal ab. EASEE® setzt auf anatomische Präzision und trägt der jeweils konkreten Krankheitsgeschichte Rechnung.

Über Invest BW
Invest BW ist ein Förderprogramm des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus und soll als solches Unternehmen und Forschungsverbünde in Baden-Württemberg dabei unterstützen, ihre Innovationskraft zu erhalten, indem neue Forschungs- und Entwicklungsprojekte angestoßen werden.

Über EASEE
EASEE® ist ein Akronym für „Epicranial Application of Stimulation Electrodes for Epilepsy“. Es handelt sich um ein System zur individualisierten Gehirnstimulation, welches anatomisch genau über den epileptischen Ursprung im Gehirn platziert, chirurgisch jedoch lediglich unter die Kopfhaut eingelegt wird. Das heißt, der Schädelknochen wird nicht eröffnet, das Gehirn an sich bleibt unberührt.

Die dünnen Plättchen-Elektroden sind von außen nicht sichtbar und gewährleisten eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für die Patienten. Die therapeutischen Impulse sind für jeden Patienten und jede Patientin individuell anpassbar, über die Dauer der Behandlung können regelmäßig Optimierungen vorgenommen werden.

Zwei klinische Studien, die in verschiedenen europäischen Epilepsiezentren unter der Leitung von Professor Schulze-Bonhage, Freiburg, durchgeführt werden, zeigten die gute Wirksamkeit von EASEE®. Die Markteinführung in der EU ist in 2022 erfolgt.

Global zählt die Epilepsie zu den häufigsten chronischen neurologischen Krankheitsbildern und beeinträchtigt das Leben der Betroffenen enorm. Jede*r dritte Patient*in gilt zudem als medikamenten-refraktär, d.h. Medikamente, die regulär für eine Therapie eingesetzt werden, wirken nicht mehr. Deshalb sind zusätzliche, technische oder operative Therapien erforderlich. Für diese PatientInnen birgt EASEE® das Potential für eine wirksamere minimal-invasive Epilepsie-Therapie und kann eine Steigerung ihrer Lebensqualität bedeuten.

Kontakt:

Prof. Dr. Peter Woias
Universität Freiburg
Institut für Mikrosystemtechnik – IMTEK
Professur für Konstruktion von Mikrosystemen
E-Mail: woias(a)imtek.de

Kerstin Steiger-Merx
Referentin PR/Marketing
Technische Fakultät
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-8056
E-Mail: steiger-merx@tf.uni-freiburg.de