Kernspins für die Mikrowelt
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Freiburg, 27.06.2018
Voxalytic stellt Mikrospulen her. Aus den Elektrobausteinen des Start-ups vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg entstehen Geräte für Kernspinuntersuchungen sehr kleiner Proben. Damit können Forscherinnen und Forscher winzige Mengen kostbarer Substanzen oder Zellen testen und analysieren. Doch die Mikrospulen von Voxalytic können mehr. Womöglich verbessern sie bald auch das Energiemanagement in Smartphones und Tablets.
„Spulen halten unsere Welt am Laufen“, sagt Prof. Dr. Ulrike Wallrabe. Die Direktorin des Instituts für Mikrosystemtechnik (IMTEK) gehört zum Gründungstrio des Start-ups Voxalytic: „Seit Michael Faraday 1831 den Generator entdeckte und damit elektrischen Strom erzeugte, sind Spulen aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken.“ Die elektrischen Grundbausteine stecken in Elektromotoren von Pumpen und Fensterhebern, in Dynamos, Lautsprechern, Kernspintomografen und zahllosen anderen Apparaten. Bisher waren Spulen aber vergleichsweise groß. Voxalytic hat sie quasi geschrumpft und will damit die Mikrowelt erobern. Aus den Mikrospulen entstehen etwa Apparate, die die Kernspinanalyse klitzekleiner Proben ermöglichen. Schon dadurch eröffnen sich viele Anwendungsfelder in der Forschung und Industrie. Doch Wallrabe und ihr Team haben weitere Einsatzgebiete im Blick: Von ihren Mikrospulen könnten auch Laptops, Smartphones und andere Geräte mit kleinen Elektrokomponenten profitieren.
Rundungen machen Probleme
In der Forschung sind einige Substanzen und Zelllinien, speziell neu entwickelte, kostbarer als Platin und Gold. In der Entwicklung und Anwendung sollen die Substanzen möglichst wenig verbraucht werden, doch gerade bei den wichtigen Kernspinuntersuchungen setzt ihnen die Technik Grenzen. „Die Spule, die in den Geräten die Atomkerne anregt, sollte ungefähr so groß sein wie die zu untersuchende Probe“, erklärt Wallrabe. Nur dann lassen sich gute Auflösungen erzielen. Doch bisher waren Spulen selbst im Millimeterbereich nur schwer zu beschaffen. Voxalytics Mikrospulen sind noch winziger: Die kleinste ist nur ein Zehntel Millimeter groß. Sie ermöglicht Kernspinuntersuchungen von Proben, die einen Nanoliter Volumen haben. Das entspricht einem Milliardstel Liter. Forscher können so mehr Tests machen und trotzdem Materialien sparen. Außerdem fällt weniger Abfall an. Voxalytic, das 2014 entstand, kooperiert bereits mit einem halben Dutzend Unternehmen.
„Ich möchte gerne, dass wir als Anbieter der besten Mikrospulen den Markt für Mikrokernspingeräte durchdringen und beherrschen“, sagt die Professorin für Mikroaktorik. Spulen sind im Prinzip nur mehr oder weniger runde Spiralen aus Draht, die sich um einen Spulenkern winden. Die Rundungen bedeuten für Mikrotechnikerinnen und -techniker ein Problem: Das Lithografieverfahren, das sie für Chips und andere Träger verwenden, kann nur Mikrostrukturen mit geraden Wänden aufbauen – so genannte Manhattan-Strukturen. Voxalytic besorgte sich eine Drahtbondmaschine, die üblicherweise Mikrochips mit hauchfeinen Drähtchen verbindet. „Wir haben sie umgebaut und dazu gebracht, 0,03 Millimeter dünne, isolierte Kupfer- oder Golddrähte zu Spulen zu wickeln“, sagt Wallrabe. Die Zahl der Wicklungen, und damit die Wirkung, lässt sich ebenso ändern wie der Durchmesser, die Wanddicke und die Höhe des Spulenkerns. Der ist meistens ein Polymerbecher von 0,1 bis einem Millimeter Durchmesser. Er dient gleichzeitig als Probenbehälter bei den Kernspinuntersuchungen.
Erfahrene erhalten kaum Förderung
Kernspingeräte enthalten mehrere Sätze an Spulen: Die dicksten müssen sehr starke Magnetfelder erzeugen und machen alle Kernspingeräte groß. Als zweites gibt es Radiofrequenzspulen. Sie verändern den Kernspin der Proben kurzzeitig und messen, wie sich der Ausgangzustand wieder herstellt. Radiofrequenzspulen können größer oder kleiner sein, je nach Probengröße. Hier kommen die Mikrospulen von Voxalytic zum Einsatz. Für die chemische Forschung und Entwicklung reichen diese zwei Spulensätze meistens aus. Fachleute sprechen von Kernspinresonanz oder NMR (Nuclear Magnetic Resonance). NMR liefert keine Daten über die räumliche Lage der Messpunkte. Die Ergebnisse lassen sich nicht zu Bildern zusammensetzen. Darum brauchen medizinische Apparate, die Magnetresonanztomografen, MRT-Geräte oder Kernspintomografen heißen, noch einen dritten Spulensatz.
„An ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten kommt irgendwann immer der Punkt, wo man das, was man erforscht, auch umsetzen will“, berichtet Wallrabe über die Ausgründung: „Aber der Hauptanstoß kam von Jan Korvink.“ Der Experte für Mikrokernspin-Technologie arbeitete bis 2015 am IMTEK. Seither leitet der Professor das Institut für Mikrostrukturtechnik am Karlsruher Institut für Technologie KIT. Der dritte Gründer, Dr. Jörg Funk, bringt einen ingenieurwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergrund mit. „Wir sind ein Team aus erfahrenen Leuten“, betont Wallrabe. Das hat auch Nachteile. EXIST, das wichtigste deutsche Gründerstipendium, steht nur Nachwuchskräften offen, bedauert die Wissenschaftlerin: „Für uns gibt es kaum Förderung.“ Immerhin vermietet die Universität ihnen Räume und Geräte zu günstigen Konditionen.
Mikrotrafos für Smartphones und Tablets
Überraschend hoch fand Wallgrabe den Verwaltungsaufwand bei der Ausgründung: „Aber am meisten hat mich erstaunt, wie viele Betrüger versuchen, unerfahrenen Gründern das Geld aus der Tasche zu ziehen!“ Allerdings fiel Voxalytic nicht auf die Briefe und E-Mails von falschen Behörden und dergleichen herein. Jetzt ist das Start-up dabei, noch ein paar Produktionsschritte zu optimieren. „Unser Fokus liegt derzeit auf den Biowissenschaften, der chemischen und pharmazeutischen Industrie“, sagt Wallrabe. Parallel entstehen aus Mikrospulen bereits Mikrotrafos, die elektrische Spannungen umwandeln. Viele Komponenten in Smartphones und Tablets brauchen unterschiedliche Eingangsspannungen und bringen eigene, größere Trafos mit. Die will Voxalytic ebenfalls verkleinern und verbessern – irgendwann. Höchste Priorität jedoch haben momentan die Mikrokernspingeräte: Den Markt dafür hofft Ulrike Wallrabe schon in den nächsten fünf Jahren mit Voxalytic zu dominieren.
Jürgen Schickinger
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